I. Allgemeine Eindrücke
I. 1. Kleinigkeiten am Rande
I. 2. Museumsstück
I. 3. Sumpf
I. 4. Seifenblasen
I. 5. Der feine Unterschied
I. 6. Leergut
II. Konkrete Fragen
II. 1. Mythos
II. 2. Rechenkunst
II. 3. Konsequente Inkonsequenz I
II. 4. Das 'Urwort des Seins'
II. 5. Konsequente Inkonsequenz II
II. 6. Heiligung
II. 7. Wahrheit
Theologen- Theorie
Laien-Kommentar
„ICH BIN die Wahrheit“
„Unterscheidung der Geister“
Nachwort
Zusammenstellung der Fragen
Literaturverzeichnis
Rechtfertigung |
II. Konkrete Fragen |
II. 7. Wahrheit |
„Unterscheidung der Geister“ |
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„Unterscheidung der Geister“
Doch dann, plötzlich, bei genauerem Hinsehen, beginnen des Professors Gedanken zu leuchten. Sie erstrahlen in hellem, geradezu prophetischen Licht und scheinen buchstäblich zur Offenbarung zu werden! Womöglich sind sie sogar 'unmittelbar als Wort Gottes zu identifizieren' ! ? ! ? ! ? !
Auf den Seiten 75 bis 125 beschreibt er in zahllosen Wendungen "Die Unwahrheit der Sünde". Diese Ausführungen seien nicht nur jedem Theologie-Studenten, sondern auch jedem Pfarrer und Fachtheologen als Pflichtlektüre dringendst anzuraten! Dort findet sich genau der Maßstab, an dem Predigt geprüft und - klar und eindeutig - Wahrheit von Lüge geschieden werden kann. An Hand dieser brillanten Darlegungen kann jedermann das Wort Gottes von dem der Esel unterscheiden.
L würde am liebsten die Seiten 86 bis 97 komplett zu zitieren. Da dies leider nicht möglich ist, folgt lediglich eine Auswahl der wichtigsten Sätze. Dazu nur eine Bitte: der Professor verwendet oft positive, aber nicht eindeutig bestimmte Begriffe; z. B. das Gute, das Wahre, Evangelium, Wahrheit, Wort Gottes usw. Diese schwammigen Formulierungen ersetze man bitte durch den konkreten, eindeutigen Begriff "scriptura" (die Bibel).
Und überall da, wo der Professor unklare negative Begriffe gebraucht (das Böse, Sünde, Lüge, Unwahrheit usw.), dort setze man bitte ein: "verbo" (theologisches Reden über die Bibel). Und man überlege sich, wie heutige Theologie mit der Bibel umspringt. Oder man stelle sich vor Augen das Alltagsgesicht der kirchlichen Textauslegung, ihre Predigten und Bibelarbeiten . . .
S. 87: "Denn böse im theologischen Sinne ist das und nur das, was dem von Gott gewollten und bewirkten Guten widerspricht. Das von Gott gewollte und bewirkte Gute aber ist das und nur das, was Gott im Gnadenakt seiner Liebe aufrichtet, zur Geltung bringt . . . "
S. 90: "Man beachte: nicht mit einem abstrakten Nein zu Gott, sondern mit einem falschen Ja zu Gott beginnt das Böse . . . Das falsche Ja hat deshalb eine zerstörerische Kraft, weil es ein wahrheitswidriges Ja ist. Es hat ein zerstörerisches Nein in sich, weil es, indem es Ja sagt, lügt . . . Mit dem verlogenen Ja zu Gott beginnt das Nein zu Gott. Mit dem verlogenen Ja beginnt die Sünde. Mit dem verlogenen Ja beginnt die Realisierung des Bösen . . . Die Sünde ist als verlogenes Ja ein Angriff auf die Wahrheit."
S. 115: "Und so kommt es zur spezifisch christlichen Gestalt des Unglaubens und des Aberglaubens. Sie hat ihr akteristikum darin, daß sie der Wahrheit des Wortes Gottes gerade nicht zu widersprechen, sondern vielmehr zu entsprechen behauptet. In der christlichen Gestalt des Unglaubens . . . widerspricht die Sünde der Wahrheit des Evangeliums am reifsten, indem sie diese Wahrheit sozusagen umarmt oder gar küßt - wie Judas seinen Herrn. Der christliche Verrat an der Wahrheit des Glaubens ist die Domestizierung derselben, ist ihre Unschädlichmachung durch Umarmung."
S. 91: "Die Sünde in ihrer Urgestalt als Lüge ist das böse Gegenstück zu der sich als verläßlich zeigenden und erweisenden Wahrheit. Die Sünde ist . . . in sich selbst haltlos, grundlos, substanzlos, wesenlos. Wir müssen sie im Gegensatz zum durch Verläßlichkeit ausgezeichneten Wahren als das schlechthin Unverläßliche begreifen. In ihrer Urgestalt als Unwahrheit, als Lüge, ist die Sünde das, worauf man sich auf keinen Fall verlassen kann. Sie lügt selbst dann, wenn sie die Wahrheit zitiert (vgl. Gen 3,1.4f.) . . .
Als Lüge ist sie nicht nur in sich selbst schlechthin unverläßlich, sondern vielmehr darauf aus, das Verläßliche unverläßlich zu machen . . .
Indem sie im Gegensatz zum Glauben nicht Ja, ja oder Nein, nein sagt (Mt 5,37; Jak 5,12), sondern eben auf verlogenen Weise Ja und damit in böser Weise Nein sagt, verbreitet sie die Unwahrheit, macht sie die Wirklichkeit unverläßlich, wirkt sie als die große Verunsicherin. Nicht heilsame Verunsicherung, die mitunter gar sehr vonnöten ist, sondern heillose Verunsicherung ist ihr Ziel. 'Ja, sollte Gott gesagt haben . . . ?' (Gen 3,1) - mit dieser Art zu fragen beginnt sie ihren Angriff auf das Verläßliche und also Wahre."
S. 92: "Als aggressiver Akt gegen die Wahrheit, gegen die Verläßlichkeit Gottes und insofern gegen alles, was wahr, was verläßlich ist, ist die Sünde eigentlich und zuerst Negation des Wahren, privatio veri. Sie tritt der Wahrheit zu nahe, um sie zu zersetzen."
S. 93: "Die Lüge richtet sich aber zuerst und vor allem gegen das Wort der Wahrheit, gegen Gottes Wort. Dies aber wiederum so, daß sie Gottes Wort um seine Eindeutigkeit bringt . . . So macht sie Gottes eindeutiges Wort ambivalent und verhindert damit, das dieses Wort Glauben findet. In alledem macht sie Gott selbst zum Lügner."
S. 96f: "In ihrer Urgestalt als Unwahrheit und Lüge ist die Sünde Imitation, die Nachäffung des Wahren, des Verläßlichen und des Guten . . . Der Imitationszwang, der der Lüge eignet, macht ihren Hang zur Pseudonymität aus. Die Sünde tritt prinzipiell unter fremden Namen auf: unter guten und besten Namen. Das entspricht ihrer parasitären Existenzweise . . .
Es ist das Un-Wesen der Lüge, sich den Anschein des Wahren zu geben. Es ist das Un-Wesen des Bösen, sich den Anschein des Guten, ja des Ursprungs und der Quelle alles Guten zu geben. Deshalb tritt die Sünde niemals unter dem Namen der Sünde auf. Deshalb verbirgt sie sich unter den besten Adressen. Dazu aber ist der Sünde jedes Mittel recht. Sie scheut vor keiner Imitation zurück . . ".
S. 97: "Das Sein der Sünde ist ein Akt, eine Tat, genauer: eine Untat. Taten und Untaten haben einen Täter. Der Akt des Sündigens hat ein für diese Tat verantwortliches Subjekt."
S. 119: "Er begehrt damit abermals, wie Gott zu sein. Denn es ist Gottes Amt, in ursprünglicher Weise zwischen gut und böse zu unter- scheiden. Der Sünder ursupiert dieses göttliche Amt. Er will selber entscheiden . . .
S. 109: "Die Lebenslüge ist ein Ereignis, in dem der Lügner zugleich der Belogene ist. Die Lebenslüge ist ein Ereignis, in dem das Subjekt zugleich Objekt ist und also der Verbrecher sich selbst zum Opfer fällt: ein betrogener Betrüger . . .
S. 121: "Es ist eine selbstverschuldete Dummheit, der der Sünder verfällt. Christliche Lehre von der Sünde darf den Schuldcharakter der Sünde auf keinen Fall unterschlagen."
S. 123: "Und diese tiefste Freudlosigkeit des undankbaren Menschen breitet eine Schalheit und Leerheit über Gottes ganze Schöpfung aus. Die bunte Schöpfung erscheint nun nur noch grau in grau. Acedia und tristitia, Weltekel, Selbstekel, trostlose Traurigkeit beherrschen am Ende den undankbaren Menschen. Er bleibt, indem er Gott den Dank schuldig bleibt, sich selber die Freude und die Hoffnung schuldig."
S. 124: "Es gehört zu dieser Existenz des Sünders als homo incurvatus in se, daß er mit seinem Glauben zugleich die Freiheit zum Wort verliert. Seine Schuld läßt ihn verstummen. Er redet nicht zu Gott, sondern allenfalls über ihn. Er kann seine Sprachlosigkeit zwar in substanzloser Geschwätzigkeit verbergen. Doch in allem, was er über Gott redet, hat er nichts zu sagen. Indem er das einzige, was er als Sünder wirklich zu sagen hätte, nämlich sein Sündenbekenntnis, verschweigt, hat er vor Gott und über Gott überhaupt nichts zu sagen."
Mit anderen Worten: das "Wort", das "scriptura" durch Predigt usw. zu den Menschen bringt, ist das Fundament unserer Kirche und aller Ehren wert ! ! ! Das "verbo" jedoch, das "scriptura" schulmeistert bzw. verdrängt und sich an dessen Stelle setzt, ist wie ein Krebsgeschwür, das unsere Kirche zerfrißt. Möglicherweise richtet sich der Zorn des Paulus in Galater 1,8f gegen genau solches "verbo" . . . ?
Wie dem auch sei, in einem hat der Professor hoffentlich recht:
S. 97 "Daß der Sünde dennoch Grenzen gesetzt sind, daß sie ihr entstellendes Werk nicht vollenden kann, das ist einzig und allein darin begründet, daß Gott sich dieser Entstellung nun nicht etwa entzieht, sondern sich ihr ausgesetzt hat, daß er in der entstellten Gestalt des Gekreuzigten die Sünde in ihrer Unwahrheit aufgedeckt und, diese Entstellung erleidend, überwunden hat. Es gehört deshalb zur recht verstandenen Schönheit Gottes, diese Entstellung erlitten zu haben. Die Häßlichkeit des Kreuzes gehört zur Tiefe der Schönheit Gottes."
Gebe Gott, daß sein Wort auch unter uns - in den Kirchen der Reformation - aus der durch die Sünde entstellten Gestalt heraus eine neue Auferstehung erlebt . . .
F R A G E 7
"Was ist Wahrheit"?
Kann und muß jeder Mensch selbst entscheiden, was für ihn Wahrheit ist? Oder 'existiert' eine Wahrheit - ein Richtig oder Falsch, Gut oder Böse -, der jeder Mensch unterworfen ist?
Wenn ja - wo ist die zu finden?
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