I. Allgemeine Eindrücke
I. 1. Kleinigkeiten am Rande
I. 2. Museumsstück
I. 3. Sumpf
I. 4. Seifenblasen
I. 5. Der feine Unterschied
I. 6. Leergut
II. Konkrete Fragen
II. 1. Mythos
II. 2. Rechenkunst
II. 3. Konsequente Inkonsequenz I
Theologen- Theorie
Laien-Kommentar
Kirchliche Praxis
Kirche und `Welt`
II. 4. Das 'Urwort des Seins'
II. 5. Konsequente Inkonsequenz II
II. 6. Heiligung
II. 7. Wahrheit
Nachwort
Zusammenstellung der Fragen
Literaturverzeichnis
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II. Konkrete Fragen |
II. 3. Konsequente Inkonsequenz I |
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Kirche und `Welt`
A N H A N G zu II. 3.
Wenn ein Unterschied existiert zwischen "drinnen und draußen", dann gibt es zwischen beiden - irgendwo - eine Grenze. Wo "das Draußen" endet und "das Drinnen" beginnt. Diese Grenze markiert den Punkt, wo willkommene Ankömmlinge wissen: jetzt bin ich drin; jetzt gehöre ich dazu.
Eine Grenze bedeutet aber auch Schutz. Sie setzt nicht willkommenen Personen oder Dingen ein "Halt" entgegen. Bis hierher und nicht weiter! Wo es diesen Schutz nicht gibt, steht immer die Gefahr, daß der Unterschied aufgeweicht wird; daß "das Drinnen" von "dem Draußen" geschädigt oder gar zerstört wird.
Gibt es eine solche Grenze um "das Reich Gottes"? Gibt es einen Punkt, wo Kirche und Theologie sagen: "Halt! Stop! Bis hierher und nicht weiter!" Wo sie sich schützen vor schädlichen Einflüssen; wo sie die Gefahr abwehren, von "dem Draußen" unterwandert, überflutet und zerstört zu werden?
Dies ist ein zu umfangreiches Thema. Deshalb nur zwei ganz kurze Anmerkungen:
a) Die Zeitschrift "Focus" schrieb am 10. 04. 2004 über "Die Glaubenswelten der Deutschen": "Der Münchner Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf bemerkt eine erstaunliche Flexibilität . . . : ' . . . in protestantischen Einrichtungen werden Schnupperkurse für spirituelles Atmen, Yoga-Übungen und Praxisseminare für sensible Massagetechniken angeboten.'"
Damit soll (zunächst) gar nichts gegen "spirituelles Atmen" usw. gesagt sein! Wohl aber soll festgehalten werden, daß sogar weltliche Journalisten die "erstaunliche Flexibilität" registrieren, mit der protestan- tische Einrichtungen auf Neuheiten von "draußen" reagieren und diese in sich aufnehmen. Diese Haltung kann man an vielen Stellen beobachten. Evangelische Kirchen scheinen weder Türen noch Fenster zu besitzen (bzw. diese stehen weit offen). Jeder Wind des Zeitgeistes pfeift und heult durch sie hindurch. Mehr noch, oft finden sich "drinnen" Gruppen, die mit diesem Wind noch stärker heulen, als man das "draußen" tut.
b) Wenn ein Anatomie-Professor mit dem Skalpell lebende Menschen aufschneiden wollte, um deren Seele zu untersuchen - einen solchen Herrn würde man vermutlich nicht lange frei herumlaufen lassen. Wenn aber ein Professor mit den "historisch-kritischen" Instrumentarium der Historiker die Bibel seziert, um den Geist Gottes zu untersuchen, so wird das als Triumph der theologischen Wissenschaft gefeiert.
Einem Laien drängt sich der Eindruck auf, heutige Theologie ist gar keine Theologie sondern eine Unterabteilung der Geschichts- Wissenschaft. Pfarrer werden nicht zu Seelsorgern ausgebildet sondern zu Historikern. Sie sitzen dann in ihren Pfarrämtern und können Bibeltexte nach allen Regeln der historischen Kunst zerpflücken. Nur wie man mit dem Wort Gottes müde Seelen tröstet oder mit 'der Kraft des heiligen Geistes' verwundete Gewissen heilt - das scheint ihnen keiner beigebracht zu haben.
In Off 17 + 18 ist die Rede von einer "großen Hure, die an vielen Wassern sitzt . . . und die Könige auf Erden haben mit ihr Hurerei getrieben, und die Kaufleute auf Erden sind reich geworden von ihrer großen Üppigkeit."
Es gibt Leute, die deuten dieses Bild auf Theologie bzw. Kirche(n). Weil diese keine Grenzen ziehen zwischen sich und der Welt; und sich statt dessen mit allen geistigen Strömungen eingelassen haben. Für einen Laien scheint dieser Vergleich ein wenig heftig. Er hält es lieber mit Luther und dessen Bild von der "babylonischen Gefangenschaft der Kirche": Die Theologie wurde besetzt von fremden Truppen. Diese üben nun die Macht aus. Historiker, Philosophen, Soziologen, Psychologen usw. kontrollieren die Lehrstühle an den Universitäten. Und herrschen so über die Kirche; bzw. darüber, was darin gepredigt und geglaubt werden soll.
Wie dem auch sei; es ist nicht zu erkennen, daß Theologie heute noch ihrer Schutz-Funktion gegenüber unserer Kirche gerecht wird. Daß sie irgendwo klare Grenzen zieht und zerstörenden Einflüssen von draußen entgegentritt: "Halt! Stop! Bis hierher und nicht weiter!"
Dieser fehlende Schutz bzw. das Fehlen von Abwehrkräften gegenüber schädlichen Einflüssen dürfte ganz wesentlich auf Struktur B zurückzuführen sein. Denn wenn "die ganze Welt bereits im Licht der Gnade existiert", dann gilt das auch für sämtliche Wissenschaften; für alle Philosophie, für die Historiker, die Soziologen usw. Dann braucht es keinen Schutz, keine Abgrenzung; dann sind alle gleich.
Das Ergebnis: wenn irgendwo auf der Welt ein bedeutender Philosoph einen bedeutenden - Verzeihung - Furz läßt, dann findet sich garantiert ein Theologe, der daraus eine bedeutende hochmoderne Theologie zimmert. So werden Theologie und Kirche "dieser Welt gleich" (Rö 12,2) - und haben ihr nichts eigenes mehr zu sagen . . .
F R A G E 3 b:
Wer schützt unsere Kirche vor einer "feindlichen Übernahme" durch "die Welt"?
Worin unterscheiden sich die 'wissenschaftlichen Instrumente' der Theologie von denen anderer Geisteswissenschaften?
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