I. Allgemeine Eindrücke
I. 1. Kleinigkeiten am Rande
I. 2. Museumsstück
I. 3. Sumpf
I. 4. Seifenblasen
I. 5. Der feine Unterschied
I. 6. Leergut
II. Konkrete Fragen
II. 1. Mythos
II. 2. Rechenkunst
II. 3. Konsequente Inkonsequenz I
II. 4. Das 'Urwort des Seins'
II. 5. Konsequente Inkonsequenz II
II. 6. Heiligung
II. 7. Wahrheit
Theologen- Theorie
Laien-Kommentar
„ICH BIN die Wahrheit“
„Unterscheidung der Geister“
Nachwort
Zusammenstellung der Fragen
Literaturverzeichnis
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II. Konkrete Fragen |
II. 7. Wahrheit |
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Laien-Kommentar
Was war zuerst - das Huhn oder das Ei? Beide sind untrennbar miteinander verbunden; das eine kann ohne das andere nicht sein. Doch was war zuerst? Ähnlich geht es mit Geschichte und Theologie (Glaube). Beide gehören untrennbar zusammen. Das eine existiert nicht ohne das andere. Doch was war zuerst?
War zuerst eine (im medizinischen Sinne) Jungfrau, die ohne 'Mitwirkung eines Mannes' ein Kind bekam; und später die Verehrung dieses Kindes? Oder war erst die Verehrung, die dann durch die Geschichte von der Jungfrauengeburt zum Ausdruck gebracht wurde?
War zuerst der Mann, der zum Sturm sprach: "Schweig und ver- stumme!" und das Staunen, "daß ihm Wind und Meer gehorsam sind" (Mk4,35ff)? Oder war erst die Urgemeinde, die die Geschichte von der Sturmstillung erfand, um ihren Glauben zu illustrieren.
War zuerst das 'Hören und Sehen': "Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf . . ." (Mt 11,4f) und danach das theologische Bekenntnis zum Sohn Gottes? Oder war zuerst die Theologie vom Sohn Gottes, die einem Menschen dann, nachträglich, göttliche Kräfte andichtete?
Waren zuerst konkrete, geschichtliche Ereignisse die - für alle wahrnehmbar - zur Stellungnahme zwangen? Die Zustimmung fanden und Ablehnung provozierten; die bezeugt und bezweifelt wurden? Aus denen heraus bei Einzelnen Glaube und später Theologie, Interpretation, Predigt erwuchsen? Oder war zuerst ein Glaube, der sich in "verdichteten Geschichtserzählungen, mit Mythen, Sagen, Legenden, Märchen, Novellen und anderem mehr" (P. Rosien) mitteilt - "nur nicht mit Texten, die berichten, 'wie es wirklich war'"? Der 'Geschichte erfindet' (sich auf Geschichte projiziert), um sich so verständlich zu machen?
Hat Gott sich durch konkrete geschichtliche Ereignisse offenbart; hat in Raum und Zeit ganz konkret gehandelt und gesprochen? Oder offenbart Gott sich durch die Theologie und deren Erkenntnisse? (In der Sprache Drewermanns: ist das Fundament des Glaubens "die äußere Welt historischer Fakten" oder - im weitesten Sinne - "die Welt der inneren Erfahrung"?) Kurz: ist das Neue Testament selbst "verbo"; d. h. 'Glaubenszeugnis', eine aufgezeichnete christliche Ur-Predigt? Oder ist "scriptura" bezeugte 'Geschichte'; die Aufzeichnung des "Wortes", das vor allem "verbo" 'Fleisch geworden ist' . . . ?
Diese Frage entscheidet sich an der 'Person' derer, die die Bibel geschrieben haben. Sind die Verfasser der Evangelien zuverlässige Zeugen - im historischen und juristischen(!) Sinne? Zeugen, deren "Sein durch ein konkretes historisches Geschehen effektiv verändert wurde"; die deshalb aufrichtig und gewissenhaft "in guter Ordnung auf- geschrieben" haben, was sie entweder selbst "gesehen und gehört" oder zumindest "sorgfältig erkundet" haben. Dann wäre "scriptura" die eine große Wahrheit, an der alles Reden von Theologie und Kirche zu messen wäre. Eine Wahrheit, die wie ein göttlicher Stein mitten im Fluß der Menschheitsgeschichte liegt. Und die theologischen Bauleute sollten sehr genau überlegen, wie sie diesen Stein behandeln; Mt 21,42ff: "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden . . . Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen aber er fällt, den wird er zermalmen."
(Wohlgemerkt: Zeugen können irren. Sie können Einzelheiten oder die Folge des Geschehens verwechseln. Sie können ihre Aussagen auch - in zeitbedingter Form - anders ordnen, als das heute üblich ist. Sie können ihre Darstellung subjektiv 'einfärben' oder Fakten falsch bewerten. Aber dies alles ist etwas völlig anderes, als ein Ereignis bzw. 'Geschichte' völlig frei erfinden!)
Oder sind die Verfasser der Evangelien religiöse Künstler, die ihren Glauben wie ein Bild auf die Geschichte gemalt haben? Dann können und müssen christliche Theologen dieses Bild von Wahrheit immer neu und aktuell gestalten; es immer wieder neu mit aktuellen "verbo"-Farben übermalen und verändern. Dann allerdings steht die Gefahr, daß a) die modernen Farben nicht in die Substanz eindringen, sondern wie Tünche auf der Geschichte liegen; daß sie nur Schein und nicht Sein bewirken. Und b), daß die christlichen Farben sich mit denen anderer Künstler verlaufen; d. h. der christliche Glaube die Konturen verliert und sich in einer allgemeinen, unverbindlichen Religiosität auflöst. Dann dürfte auch schwer zu begründen sein, warum jemand Kirchenmitglied sein (oder werden) sollte - wo doch so viele bunte Gottesbilder gemalt oder gebastelt werden. Meinungen über Wahrheit gibt es heute an jeder Straßenecke . . .
Es bleibt die Frage: was ist die Quelle der Offenbarung - die Geschichte oder das Theologenhirn? Sind Theologen "unnütze Knechte Gottes" (Lk 17,10), die Wahrheit bezeugen? Oder sind sie "Herren über den Glauben" (2Ko 1,24), die Wahrheit erzeugen?
Für schlichte Laien-Logik ist alles ganz einfach: am Ostermorgen war das Grab entweder leer - oder das war es nicht? Ist das leere Grab eine Erfindung der ersten christlichen Theologen, wird Kirche austauschbar. Sie wäre dann ein Sinnstifter unter vielen; ein 'Institut für Lebensberatung und Weltverbesserung' neben anderen. Die einen schreiben Bücher "Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken". Die anderen halten allsonntäglich Vorträge "Warum unser Glaubensbekenntnis in der Sache Unsinn und dennoch der Schlüssel zum Erfolg ist". Der Unterschied besteht letztlich nur darin: moderne Psychologen sprechen die Probleme direkt an; moderne Theologen betrachten sie im Spiegel antiker Texte bzw. benutzen deren Sprache.
(Diese Methode mag für Liebhaber durchaus reizvoll sein - die Frage ist, ob sie in einer Mediengesellschaft noch eine Chance hat? Die Welt droht in einer Überfülle von Informationen zu versinken. Es werden allenfalls noch kurze, klare Nachrichten bewußt aufgenommen. Und genau die liefert Kirche nicht. Für eindeutige, treffende Inhalte dürfte das verquollene, verschwommene Denken und Reden der heutigen Theologie denkbar ungeeignet sein. Warum sollten 'moderne Menschen' ihr Leben im Rahmen so entleerter, zertretener Begriffe wie z. B. "Gott" betrachten? Es sind gerade Medien-Experten, die das, "was aus der Kirche kommt", als "unglaublich schwer zu verstehen, grauenvoll betulich" - s. S. 40 - oder gar als "schizophren" bezeichnen.)
War das Grab aber tatsächlich leer, so wäre dies eine ungeheuerliche Tatsache. Und Kirche hätte Einmaliges zu sagen: das 'Evangelium' von dem, der dieses leere Grab hinterlassen hat. Sie könnte sich berufen auf einen einzigartigen 'historischen Fakt'; ein Ereignis, das buchstäblich die gesamte Weltgeschichte in die Luft sprengt: die Auferstehung ihres Herrn. Sie müßte nicht reden über eine von Menschen erfundene theologische Kunstfigur, einen "kerygmatischen Christus". Sondern könnte Zeugnis ablegen von einer realen Person: dem Auferstandenen; dem lebendigen Gott in der Gestalt des "historischen Jesus".
Und Kirche hätte eine 'gute Nachricht' zu verkünden, die alle Maßstäbe menschlichen Denkens über den Haufen wirft. Eine Nachricht, die denen, die "hoch sind unter den Menschen" - den Starken, den Bedeutenden, den Klugen - sagt: "Du Narr!" (Lk 12,20). Die aber den vom Leben geschlagenen, - den Schwachen, den "Elenden" - die Hoffnung gibt: "Ich lebe und ihr sollt auch leben!" (Jh 14,19). Eine Hoffnung, die alles menschliche Vorstellungsvermögen übersteigt. Eine Hoffnung, die lebt aus dem Wissen: "Ich bin bei euch alle Tage . . . "; die im tiefsten tatsächlich Gemeinschaft ist, Anbetung, Liebe zu einem ewigen Du: "Mein Herr und mein Gott". Eine Hoffnung, die sich bewährt in dem Erleben: "Rufe mich an in der Not, so will ich dich retten"; die ihre Kraft entfaltet im "stillen Kämmerlein" und dennoch die ganze Welt umspannt: "Ich mache alles neu!" Eine Hoffnung, die nicht frommen Wunschdenken entspringt, sondern begründet ist in einer realen historischen und dennoch lebendigen Person: dem, der den Tod überwunden hat.
War das Grab leer, dann kann Kirche im tiefsten und letzten Sinne Wahrheit bezeugen. Aber dann m u ß Kirche diese Wahrheit auch bezeugen! Unabhängig davon, wie 'die Welt' darauf reagiert - ob sie dieses Zeugnis glaubt, ignoriert, verhöhnt oder bekämpft. Und Kirche wird leben, so wie diese Wahrheit lebt: ewig und unzerstörbar! Denn alle "Weisen dieser heutigen Welt" (1Ko 1,19f) können Sturm laufen und mit noch so "prophetischem Pathos" oder historisch-kritischen Keulen auf dieses leere Grab einschlagen: sie kriegen den Auferstandenen dort nicht wieder rein!
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