1. Die Einladung
2. Der theure Opa
3. Das Ehrenamt
4. Gnade
5. Heilige Zahlen
6. Glaubens-Bekenntnis
7. Theologe und Maurer
8. Schauspielkunst
9. Philosophie
10. Das Geheimnis
2. Der theure Opa
Drama in drei Akten; nach einer wahren Begebenheit ! ! !
1. Akt
Vorhang
(Amtszimmer. Riesige Regale mit Büchern. In der Mitte ein wuchtiger Schreibtisch. Daneben Bürotisch mit Computer, Monitor usw., Drehstuhl mit Rollen.
Pfarrer am Schreibtisch. Schichtet schweigend einen mächtigen Aktenstapel von links nach rechts. Zieht ein großes, abgenutztes Schreib-Buch - mindestens A3-Format - hervor.)
Pfarrer (zu sich selbst):
Das Protokoll-Buch des Gemeindekirchenrates. Mal sehen, was die vorgestern beschlossen haben. Zu dumm, daß ich nicht dabei sein konnte. Hm, hm . . . sieh' an. Ausgezeichnet!
"Beerdigungen von säumigen Gemeindegliedern sollen nur dann durchgeführt werden, wenn sie bereit sind einen Teil ihrer Schuld nachzuzahlen."
Na endlich! Jetzt ist Schluß mit diesem Schlendrian.
Ordnung muss sein!!!
(Es klopft..)
Herein.
(Frau Müller tritt auf.)
Frau Müller: Guten Tag, Herr Pfarrer. Unser Opa ist ganz plötzlich verstorben. (Seufzt.) Ich komme wegen der Beerdigung.
Pfarrer: Das ist ja traurig. Mein aufrichtiges Beileid.
(Springt auf, faßt ihre Hand.)
Die Beerdigung, aber selbstverständlich, wann haben sie denn gedacht? . . . Obwohl, Moritz Müller? . . . Moment bitte . . .
(Setzt sich wieder, fährt zum Bürotisch und wirft den Computer an. Haut heftig in die Tasten.)
Das habe ich befürchtet. Er ist mit dem Kirchgeld im Verzug; sehr sogar. Es tut mir leid, aber ich kann ihn erst beerdigen, wenn er das nachgezahlt hat. Wenigstens einen Teil.
Frau Müller (erschrocken):
Wieso denn? Das gab's doch noch nie?
Pfarrer: Ja, Frau Müller, seit vorgestern gibt es einen entsprechenden Beschluß vom
Gemeindekirchenrat. Da kann ich nichts machen!
Frau Müller: (fassungslos)
Muß das wirklich sein?
Pfarrer: Bitte, hier steht es. (Legt ihr das Buch vor und liest)
"Beerdigungen von säumigen Gemeindegliedern sollen nur dann durchgeführt werden, wenn sie bereit sind einen Teil ihrer Schuld nachzuzahlen."
Solche Beschlüsse sind bindend. So leid es mir tut, da kann nichts machen.
Frau Müller (resignierend):
Ich sag ihm Bescheid.
Geht grußlos ab.
Pfarrer (laut hinterherrufend):
Viel Erfolg, Frau Müller!
Vorhang.
2. Akt
Vorhang
(Pfarrer am Schreibtisch. Sortiert schweigend den mächtigen Aktenstapel von rechts nach links. Es klopft.)
Pfarrer: Herein.
(Opa Müller tritt auf. Im Totenhemd, leichenblaß. In der Hand eine Aldi-Plastetüte.)
Na, Herr Müller, lange nicht gesehen. Wie geht's uns denn so?
Opa Müller (mürrisch, schlecht gelaunt):
Ich komme wegen des Kirchgeldes. Mein letztes Hemd hat zwar keine Taschen, aber ich habe mir was geborgt.
(Kippt den Inhalt der Aldi-Plastetüte vor dem Pfarrer auf den Schreibtisch. Zahlreiche Geldscheine und Münzen bilden einen sichtbaren Haufen.)
Pfarrer: Na bitte! Warum nicht gleich so?
(Er sortiert gewissenhaft Scheine und Münzen. Zählt genau und schüttelt den Kopf.)
Ach, Opa, immer noch so knauserig wie zu Lebzeiten?!
Aber immerhin, etwas guten Willen haben sie gezeigt.
Deshalb will ich nicht so sein. Ich beerdige sie.
Opa Müller (sichtlich erleichtert):
Vielen Dank Herr Pfarrer.
(halblaut, zu sich selbst.)
Auf baldiges Wiedersehen!
Pfarrer: Leben sie wohl, Herr Müller. Grüß Gott!
Vorhang.
3. Akt
Vorhang.
(Pfarrer am Schreibtisch. Schichtet schweigend seinen mächtigen Aktenstapel von links nach rechts. Es klopft.)
Pfarrer: Herein.
(Frau Müller tritt auf.)
Pfarrer (springt auf, läuft ihr entgegen und schüttelt ihr die Hand):
Guten Tag, Frau Müller. Wie ist es denn gelaufen?
Frau Müller: Recht gut, Herr Pfarrer. Unser Opa ist nach Hause gekommen und hat sich ohne Protest wieder in den Sarg legen lassen.
Dort liegt er jetzt recht friedlich. Nur manchmal brummelt er unverständliches Zeug vor sich hin. Oma meint aber, 'teurer Spaß' und 'Blutsauger' herausgehört zu haben.
Pfarrer: Liebe Frau Müller, da machen sie sich mal keine Gedanken. Das legt sich. Spätestens wenn er verbrannt wird.
Frau Müller: (halb erleichtert, halb skeptisch):
Wirklich?
Pfarrer: Todsicher. Sie können mir glauben!
(Bietet ihr einen Stuhl an. Setzt sich wieder hinter seinen Schreibtisch.)
Nun aber zu der Beerdigungsrede. Erzählen sie mir doch mal was von unserem teuren Toten . . .
Vorhang.